Der dritte Beitrag von Hannah Laurenz gilt dem oft prekären Status als Doktorand. Meist wird man als einfacher Student wahrgenommen. Gefordert werden jedoch wissenschaftliche Höchstleistungen, die dann noch nicht einmal angemessen gefördert werden. Eine Farce auch für die Institutionen, die Talent um Talent vergeuden und sich selbst die Grundlage für die Zukunft entziehen.
von Hannah Laurenz
Manch einem unter uns Nachwuchsarchäologen ist es auch schon so ergangen: Ich saß in einer Sitzung des Arbeitsbereiches oder einer ähnlichen Veranstaltung und wartete mehr oder weniger gespannt auf deren Beginn. Und: Da passiert es, der Leiter der Sitzung dreht sich um und begrüßt meine Sitzreihe mit der Anrede „Liebe Studentinnen und Studenten…“.
Peinlich berührt sehe ich betreten drein. In meiner Umgebung rümpfen Doktoranden, Post-Docs und gar Habilitanden die Nasen über das Wort „Student“. Meine Gedanken beginnen abzuschweifen und ich kann es nicht ändern, doch ich fühle mich geradezu beleidigt von dem Wort. Mein Abschluss liegt zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Jahre zurück und unzählige Ausgrabungen, Publikationen und Tagungsvorträge hinter mir. Als „Student“ fühle ich mich schon lange nicht mehr. Meine ebenfalls sichtlich gekränkten Sitznachbarn in der Veranstaltung ganz offensichtlich auch nicht.
Gewiss war die Bezeichnung der versammelten Nachwuchsarchäologen keinesfalls als Herabsetzung gemeint – und doch verbirgt sich hinter dieser Titulierung eine Hilflosigkeit in der Struktur der Universitäten. Denn wir Nachwuchswissenschaftler tragen zwar nachweislich einen Großteil der aktuellen Forschung, doch wir sind keine einheitliche Gruppe und können folglich auch nicht als solche wahrgenommen werden.
Das Leben als „statusloser“ Doktorand
Wie ernst dieses Problem ist und wie groß seine Ausmaße, wurde mir jedoch erst vollkommen klar, als ich an einer Veranstaltung mit dem Titel „Etablierung eines Doktorandenstatus an Universitäten“ teilnahm. Mit wurde schlagartig bewusst: Wir Nachwuchswissenschaftler sind in den Strukturen universitärer Forschung kaum mehr als winzige Anhängsel unserer betreuenden Professoren. Wir erscheinen in kaum einer Erfassung – bestenfalls die Eingeschriebenen unter uns als Promotionsstudenten – und unser Status scheint tatsächlich inexistent. Die Mehrzahl der Universitäten wisse nicht einmal, wie viele Doktoranden sie habe, erklärt der Leiter der entsprechenden Veranstaltung betreten. Eine wahrlich traurige Tatsache.
Viele der Doktoranden sind Drittmittel-finanziert oder beziehen Stipendien und leben so unter teils prekären Umständen, die im Hinblick auf Bezahlung und Arbeitszeiten mit dem deutschen Arbeitsrecht unvereinbar scheinen. Doch Lehre und Forschung sind schließlich frei. Da sie keine Arbeitnehmer sind und auch keine Angestellten der Museen, Universitäten oder Landesämter, an denen sie promovieren, sind sie nicht einmal in der Lage, Sachmittel zu beantragen: namentlich alles von einem Drucker über einen PC, der den nicht unerheblichen grafischen und technischen Anforderungen einer modernen Dissertation angemessen wäre, bis hin zu einem funktionierenden Schreibtischstuhl. Wie oft habe ich skeptische Blicke von Doktoranden besser ausgestatteter Wissenschaftsdisziplinen dafür geerntet, dass ich so voller Selbstverständlichkeit erklärte, dass ich meine Dissertationsschrift inklusive aller Abbildungen auf meinem sieben Jahre alten, privaten Laptop erstellt hatte. Und jeder, der unzählige Jahre auf einem harten, kurzlehnigen Holzstuhl bei schlechtem Licht verbracht hatte, hätte seinen Arbeitsgeber wohl längst auf Schmerzensgeld für den davongetragenen Haltungsschaden verklagt.
Promotion ohne Unterstützung oder als „Freizeitvergnügen“
Doch genug von mangelhaften Sitzgelegenheiten! Andere Doktoranden haben das noch viel größere Pech, keine Finanzierung für ihre Forschung gefunden zu haben. Die meisten unter ihnen schreiben sich auch nicht als Promovenden an einer Universität ein, denn was würde ihnen das Weiterbildungsangebot dort nutzen, wenn sie den Semesterbeitrag zahlen müssten, jedoch im Gegenzug als Studenten gelten würden und nicht einmal Arbeitslosengeld für verzweifelte Monate beantragen könnten. Wieder andere promovieren des Nächtens oder Wochenends über zahllose Jahre neben einem Voll- oder Teilzeitjob, weil die Promotion in der Archäologie noch immer der Weg zu einer besser bezahlten und wenigstens etwas länger befristeten Stelle ist. Wie oft einem auf Stellenausschreibungen doch der kleine Zusatz „abgeschlossene Promotion Voraussetzung“ einen kleinen Stich versetzt hat.
Doch nicht nur der finanzielle Aspekt führt bei diesem Thema dazu, dass ich plötzlich das dringende Bedürfnis verspüre, gegen das Tischbein neben meinem Fuß zu treten. Verbunden mit dem fehlenden Status der Nachwuchsforscher geht auch eine mangelhafte oder meist schlichtweg nicht vorhandene Möglichkeit zur Beteiligung jeglicher Art einher. In den Sitzungen und Veranstaltungen der Institute ist man als Doktorand eher ein Fremdkörper – zu Beginn steht möglicherweise noch das Bestreben, etwas beizutragen oder gar zu verändern und man bemüht sich nach Kräften um konstruktive Beiträge. Doch erntet man dafür oftmals wenig bis gar kein Interesse oder lediglich ein Schulterzucken garniert mit der Bemerkung: „Einer der Studenten hat gesagt…“. Die etablierten Mitarbeiter klären Wichtiges und Unwichtiges lieber unter sich. Bemühungen von Nachwuchsarchäologen? Im Grunde unerwünscht! Dies liegt vielleicht nicht zuletzt daran, dass sie wissen, was wir sind: eine temporäre Erscheinung.
Bittere Realität auch in Zukunft?
Wenn unser Vertrag ausläuft, unser Stipendium endet, unsere Arbeit geschrieben ist – ja dann, dann werden wir verschwinden und mit uns auch die Fragen, die wir einst hatten. Dann werden wir das finanzielle und ideelle „Problem“ einer anderen Institution sein. Und so stagniert schließlich das Vordringen der Nachwuchswissenschaftler in die Strukturen der Forschungsinstitutionen und erlahmt der Eifer einer konstruktiven Beteiligung, bevor er letztendlich Platz macht für die Resignation. Warum sich nicht neuen Ufern zuwenden, wenn die eigenen Beiträge weder erwünscht sind, noch geschätzt werden? Eine Situation, die die Institutionen wichtiger Denkanstöße und gleichermaßen des berühmten „frischen Windes“ beraubt.
Doch zurück zur initialen Frage dieses Pamphlets: Wie also ließen sich alle diese Nachwuchsarchäologen – die motivierten ebenso wie die desillusionierten – unter einem Status zusammenfassen, der ihnen mehr Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten einräumen würde? Eine Frage, die nur die Zukunft klären kann – eine Frage, die die Zukunft klären muss, wenn der Exodus der archäologischen Nachwuchswissenschaftler einst ein Ende haben soll.