Wer kennt sie nicht, die vielen dienstbaren Geister der Universitäten. Die, deren Name nicht an einer Bürotür in einer Fakultät steht und die trotzdem die Arbeit leisten, auf denen ganze Institute ihr Fortkommen gründen: HiWis! Obwohl oder gerade weil sie nicht immer rein wissenschaftlichen Tätigkeiten nachgehen und auch nicht immer angemessen entlohnt werden für das, was sie tun.
von Hannah Laurenz
„Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz regelt, wie die Arbeitsverträge für das wissenschaftliche und künstlerische Personal an staatlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen zeitlich befristet werden können.“ klärt die Homepage des BMBF auf.
Nun um was geht es dabei eigentlich? Die Ideen, die die Menschen bewegten, die 2016 dieses sperrige Gesetz einer Änderung unterzogen, waren vermutlich höchst ehrenvoll. Mann wollte vermeiden, dass weiter Kettenverträge praktiziert würden, und die Rotation der Nachwuchswissenschaftler fördern. Und natürlich dafür sorgen, dass mit den entsprechenden Stellen wissenschaftliche Qualifikationen verbunden sein sollten. Also quasi eine Gesetzesänderung zum Schutz des wissenschaftlichen Personals. Oder? Oder…
Das Gesetz macht deutlich, dass in einer solchen „Qualifikationsphase“ eine unbefristete Beschäftigung ebenso ausgeschlossen sei, wie eine Übernahme nach erfolgreichem Abschluss der wissenschaftlichen Qualifizierung. Und die befristete Anstellung beläuft sich auf maximal sechs Jahre. Für eine studentische Hilfskraft klingt dies absolut akzeptabel bis sehr verlockend. Doch was ist mit den Doktoranden, Post-Docs und Habilitanden, die sich mit der Notwendigkeit konfrontiert sehen, die Zeit bis beispielsweise zu einer Professur oder einer Festanstellung im musealen oder denkmalpflegerischen Bereich zu überbrücken?
Die Praxis zeigt, dass eine solche Anstellung zumeist im Lebensalter zwischen Mitte 40 und Mitte 50 erfolgt. Daher war es bis vor wenigen Jahren Gang und Gäbe, sich bis zu diesem ersehnten Zustand an einer staatlichen Forschungseinrichtung als „wissenschaftliches Personal“ umzutun, denn nicht jeder eignet sich nun mal als Grabungsmitarbeiter. Diese Möglichkeit ist nun entfallen, die Welt des Überlebens in der Forschung um eine finanzielle Option ärmer.
6 Jahre und danach?
Doch was ist nun mit diesen ominösen sechs Jahren, die immerhin großzügig ermöglicht werden? Diesen sechs Jahren, von denen man weiß, dass man nach Ende der Befristung wieder auf der Straße steht? Zumeist werden solche Befristungen auch gar nicht mehr voll ausgeschöpft – zu groß ist die Angst vor erfolgreichen Arbeitsplatzklagen, denn auch die Institutionen selbst unterliegen Zwängen: Wie sollen sie jemanden unbefristet beschäftigen, wenn keine entsprechende Stelle existiert und nicht geschaffen werden kann? Und wo sollte überhaupt solch eine Stelle herkommen in Zeiten knapper bis inexistenter Mittel?
Nun vermögen also die finanziellen Seiten der Gesetzesänderung nicht zu überzeugen. Wie steht es dann um die „wissenschaftliche Qualifikation“, die versprochen wird, die einen weiterbringen und im Lebenslauf überzeugen soll?
Professoren beispielsweise brauchen HiWis – das war schon immer so und das war auch schon immer gut so! Sie brauchen sie, um alte Semesterunterlagen zu ordnen, archäologische Funde vor der Bearbeitung zu reinigen oder Abrechnungen von Exkursionen im Ausland abzuwickeln. Doch diese Tätigkeiten passen nun nicht gerade in das Profil des „Erwerbs wissenschaftlicher Kompetenzen“, wie sie das Wissenschaftszeitvertragsgesetz vorsieht. Auch die „Beschäftigung mit Fragestellungen, die neue Erkenntnis hervorbringen“ ist bei den genannten Arbeiten nicht zu erwarten. Zumeist findet die wissenschaftliche Arbeit doch außerhalb der Tätigkeit als wissenschaftliches Personal statt, das nach der zufriedenstellenden Einordnung sämtlicher Unterlagen des Professors nach Hause geht, um seine Dissertationsschrift voran zu bringen oder eine neue Korrespondenzanalyse am heimischen Rechner zu erstellen. Aber der Verdienst aus ersterer Tätigkeit macht das eigene wissenschaftliche Fortkommen erst möglich! Lange Zeit hatte man hier ein symbiotisches System geschaffen – das wissenschaftliche Personal sucht ein Einkommen zum Forschen und Überleben, die Professoren suchen jemanden, der die anfallenden Arbeiten erledigt, denen sie selbst nicht gerecht werden können.
Wie kommt nun auch im Hinblick auf das erneuerte Gesetz jeder zu seinem Recht? Möglichkeiten gibt es dabei durchaus – wer keine Qualifizierung oder Erkenntnisgewinn mit der HiWi-Stelle anzubieten hat, könnte sich eine ausdenken. Solange das Formular entsprechend ausgefüllt wurde, ist ja nichts zu beanstanden.
Und für die HiWis selbst spielt es am Ende doch keine Rolle – sie möchten einfach leben und forschen. Und wenn eines Tages doch mal eine unbefristete Stelle ausgeschrieben wird, beinhaltet die Ausschreibung ohnehin zumeist unerwartete Anforderungen wie einen Abschluss in Unterwasserarchäologie oder eine Promotion in Sudan-Forschung.
Leere Versprechungen
Doch wenn man schon keine Qualifizierung erwirbt, wie steht es dann um die Bezahlung und Arbeitsstunden des wissenschaftlichen Personals? Selbst für wissenschaftliche Hilfskräfte vor dem Abschluss liegt der Stundenlohn über dem Mindestlohn. Soweit verlockend. Jedoch besonders im Bereich der Doktoranden und Postdocs werden im Vertrag oftmals weit weniger Stunden geführt, als dann tatsächlich gearbeitet werden – gearbeitet werden müssen. Es kommt sogar vor, dass explizit darauf hingewiesen wird, dass die Verpflichtung bestünde, auch über die bezahlte Arbeitszeit hinaus unentgeltlich am wissenschaftlichen Fortkommen der betreffenden Institution und ihrer Projekte mitzuwirken. Was dabei aus den Projekten der Beschäftigten wird, ist nebensächlich. Und unter diesen Gesichtspunkten wirkt die Bezahlung gleich weit weniger angemessen und verlockend.
Sehr beliebt ist auch die große Möhre, die dem hungernden Pferd hingehalten wird – Versprechungen, die dem wissenschaftlichen Personal gemacht werden, um es zu halten, bis seine Zeit ohnehin gekommen ist: Man könne ja in Zukunft zusätzlich eine Teilzeitstelle einwerben, vielleicht würden die Mittel es einmal erlauben, die Stunden aufzustocken und möglicherweise gäbe es ja eine Projektstelle in dem Projekt, dessen Planung demnächst mal beginnen würde.
Spätestens nach einigen Jahren wird es jedem klar: Diese Versprechungen sind leere Versprechungen!
Und ist die Zeit der befristeten Anstellung abgelaufen, bleibt allenfalls ein warmer Händedruck, bevor man wieder sich selbst überlassen ist auf der Suche nach einer neuen Stelle und einer neuen Möglichkeit, Leben und Forschung zu finanzieren. Und im Anschluss wird keine andere staatliche Forschungseinrichtung eine Weiterbeschäftigung bzw. Anstellung gewähren – man wird gesperrt, wie ein ausgedienter Fußballspieler auf der Ersatzbank oder ein Olympionike unter Doping-Verdacht. Ein Sklave im antiken Rom, der erneut auf dem Markt angeboten wird, nach verlorenen Jahren weniger jung, ebenso wenig weiter gebildet, weniger attraktiv für den neuen Käufer. Eine rechtlich einwandfreie Praxis. Doch waren die Sklaven in Rom rechtlich gesehen nicht auch nur eine Sache, ein Ding ohne Rechtsfähigkeit?